Blu-Ray-Regal vs. Digital-Sammlung: Ein Showdown

Screenshot aus meiner Prime-Videothek. Die Bequemlichkeit holt langsam auf.
Eine Frage, die die Menschheit seit Jahrtausenden beschäftigt. Sie ist epischer als Nike oder Adidas. Größer als Instagram oder Snapchat. Vergesst Pepsi gegen Coke oder Wendler gegen Selbstachtung. Es die Frage, die wir alle verdrängen, doch um eine Antwort flehen: Filmsammlung - digital oder haptisch?

Beide haben Vorteile. Beide haben Nachteile. Und wie so oft im Leben darf man dabei nicht den Fehler machen, die Anzahl der Pros und Contras gegeneinander aufzuwiegen. Die jeweilige Gewichtung eines Arguments macht den Unterschied.

Ich persönlich liebe meine DVD- und Blu-Ray-Sammlung. Sie ist für den Ottonormal-Dude soweit ganz beachtlich, in meiner Filterbubble jedoch eher gerade einmal Durchschnitt. Doch auch hier gilt: never trust the bubble. Etwa 450-500 Scheiben schützen meine IKEA-Regalbretter vor dem Einstauben.

Wie einst meine rund 400 CDs im Jugendzimmer ist auch hier jedes dieser Massenware-Exemplare eine Art gesicherte Trophäe. Ein Zeichen von Respekt und Anerkennung, dass jedem Besuch einen kleinen Einblick in meine Persönlichkeit erlaubt. Und das ist tatsächlich schon der erste Vorteil. Man setzt ein Statement. Das Band-Shirt fürs Zuhause, das Wand-Tattoo für Menschen mit Geschmack.

Was bei anderen in den Kammern flimmern


Besuche ich Menschen in ihren eigenen vier Wänden, werfe ich immer einen Blick auf ihre Filmsammlung. Als wir vor wenigen Wochen neue Nachbarn bekamen, kramte ich mich beim ersten "Hallo"-Besuch durch den Karton mit den Blu-Rays und konnte schnell einschätzen: Die Leute scheinen in Ordnung zu sein. 

Auch, als ich in München erstmals einen Kumpel besuchte, damit wir uns zusammen das NFL-Spiel reinpfeifen konnten, kam es vor seiner Entertainment-Sammlung zum geistigen Kniefall. Hunderte bunte Hüllen, Staffel-Boxen, Steelbooks, Collector's Editions, dicht an dicht in einem Eckregal einsortiert. Davor ein Sessel. Seine persönliche Bibliothek von Alexandria - und ich hatte kurz überlegt, wie vielen Menschen er wohl von meinem Besuch erzählte und ob mich unterwegs mögliche Zeugen beobachtet haben.

Das zeigt zwei weitere Vorteile: Zum einen kann es - richtig umgesetzt - ein hervorragendes Stilelement für die Innenarchitektur sein. Zum anderen hat mir meist deutlich bessere Möglichkeiten der Sortierung. Im Vergleich zum Anbieter-Riesen Amazon, wo ich eine (umgekehrte) A-bis-Z- oder Kaufdatum-Sortierung bekomme, kann ich mich im heimischen Regal austoben. Alphabetisch, nach Farben, nach Genre, Filme von Tarantino hier, Filme mit Lucy Cat dort, die Möglichkeiten sind beinahe unbegrenzt. Außerdem leihe ich mir ja gerne Filme oder Serien von Kumpels aus, ohne dass ich sie nach ihren Passwörtern fragen muss. 

Han Solo hat zuerst geschossen!


Doch den wichtigsten Vorteil sieht man, wenn man die Korrektur-Politik der großen Filmstudios betrachtet. Immer wieder werden Filme nachgebessert, mal im Kleinen, mal im Großen. Das ist nicht zwingend schlecht. 2020 hat sich die Gesellschaft nunmal soweit gewandelt, dass es nicht mehr problemlos ist, wenn Pipi Langstrumpfs Vater der "König der Neger" ist. Auch, wenn ein Kind in einem Wäschetrockner stirbt, weil Stitch' Ziehmutter Lilo sich in einer Szene in einem solchen versteckt hat, kann man eine Änderung der Sequenz getrost absegnen. Es schadet ja niemandem - außer den Facebook-Kommentatoren, deren Kindheit gefühlt dadurch vollständig zerstört wurde. Vermutlich sind sie bereits alle inzwischen in Therapie. Schließlich sind ja sie die Zielgruppe bei Zeichentrickfilmen *augenrollgeräusch

Aber verdammte Axt, lieber George Lucas, du weißt es, ich weiß es, alle wissen es: Han Solo hat zuerst geschossen, also hör auf die Filme zu verschandeln. Der Vorteil bei den haptischen Exemplaren: hier kann niemand mehr etwas weg-, rum- oder hinzudoktorn. Oder gar Filme komplett aus dem Programm nehmen, weil der Hauptdarsteller den nächsten Sex-Hashtag fabriziert hatte. Und wer wollte eigentlich eine neue Synchro für "Arielle"? Zum Glück hab ich noch die alte Fassung. Bei "Disney's Weihnachtsgeschichte" hab ich das leider verpasst.

Jedoch - und damit kommen wir zu den Vorteilen der digitalen Ausgaben - können sich solche Korrekturen auch zum Vorteil auswirken. Um bei "Lilo & Stitch" zu bleiben: Ich habe mir den Film damals sehr schnell gekauft, als er auf dem Markt war. Und es gibt bestimmte Szenen, die mir ein Fragezeichen ins Gesicht gezaubert haben. Bestes Beispiel war die Verfolgungsszene im Showdown-Akt. Lilo wird in einen Glasbehälter auf der Rückseite des Raumschiffs gepackt. Irgendwann hat dieser plötzlich einen Sprung. Man sieht leider aber nicht, warum. Vermutlich als Folge der Luftschlacht.

The dark side of the disc


Falsch. Als sich meine Kinder über einen Streaming-Kanal, der absolut rein zufällig auch Disney-Filme hat, diesen Film angesehen haben, kam ich gerade ins Wohnzimmer. Und plötzlich sah ich Szenen, die ich auf der DVD nie zu Gesicht bekam. Erstmals wurden kleinere Logik-Lücken geschlossen. Ich hatte - ohne es damals ahnen zu können - eine gekürzte Fassung gekauft.

Hätte ich den Film digital besessen, wäre es nicht ausgeschlossen, dass die alte Version durch die neue ersetzt worden wäre. Apropos "ersetzen". Meine Mittlere hatte eine lange Zeit zwei Filme, die sie über alles liebte. Wir sprechen von hohen zweistelligen oder gar untere dreistellige Zahlen, wenn es darum geht, wie oft sie diese j-e-w-e-i-l-s gesehen hatte. "Disney's Peter Pan" und "Die Eiskönigin". Diese BluRays liefen so oft, dass ich mir allmählich Sorgen um den Zustand der Scheiben machte. Also hab ich sie noch einmal per Amazon gekauft. Auch, um wieder freien Zugriff auf das TV-Gerät zu bekommen. Das iPad reichte ihr schließlich auch.

Man hat seine Filme immer dabei. Man sitzt am Bahnhof und muss noch auf den Zug warten, der im August wegen Schneefall 180 Minuten zu spät kommt? Kein Problem, denn man hat "Fast & Furios 162" immer dabei. Man fährt in den Urlaub und die Kinder müssen ruhig gestellt werden? Jedes bekommt eines der alten Handys mit Zugriff auf die Online-Videothek und Kopfhörer verpasst.

Bequem ist auch die Tatsache, dass man sich den Film (oder die Serie) von der Couch aus anschalten kann. Kein Aufstehen, kein Einlegen, kein Aufräumen oder Discs wechseln. Das Einkaufen läuft von selbst. Nach zwei-drei Klicks steht dem Heimkino-Abend nichts mehr im Wege. Kein Warten, kein gelber Abholschein, keine kaputten Hüllen. 

Das Urteil ist gefällt


Es muss natürlich auch tonnenweise weniger Müll produziert werden (wobei diese Filme eher selten in Tonnen landen). Und wenn man sich den Film zum 3.286sten Mal ansieht, weil er einfach der beste Film aller Zeiten ist (ja, ich spreche von "Zurück in die Zukunft"), dann ist die Wiedergabequalität wie am ersten Tag. Auch technische Erweiterungen können in der digitalen Fassung besser eingebaut werden, als bei den CDs, deren Reifeprozess nunmal abgeschlossen ist. Egal ob bei Bild, Ton oder Konsumerlebnis.

Mein Fazit fällt dennoch tendenziell zu Gunsten der Wohnzimmerwand aus. Denn irgendwann könnte die große Apokalypse kommen, das Internet explodiert, globaler Stromausfall oder Amazon erhält eine Steuernachzahlung zugestellt. Und zack könnte es aus sein. Okay, beim Stromausfall auch, aber da kann man sich ja technisch vorbereiten. Dann kann ich in meinem unterirdischen Bunker immer noch "Pulp Fiction" einschalten.

Wofür man der Film-Industrie jedoch ordentlich in den Arsch treten sollte: Jahrelang haben wir Film-Sammler mit unseren Käufen haptischer Datenträger dafür gesorgt, dass weiterhin der Rubel rollt. Während andere sich auf den ersten Filesharing-Plattformen diese Produkte gelimet, ge-eMulet oder genapstert haben. Wie wird es uns gedankt? Digital-Versionen kommen früher auf den Markt als die handfesten Varianten. Denn man will Geld sparen. Und da sind die treuesten Fans eben zweitrangig.

Meine persönliche Lösung habe ich jedoch gefunden. Es ist eine Mischung. Filme, die mir besonders wichtig sind, will ich in der Hand festhalten können. Die Nice-to-Haves reichen digital. Dieser Kompromiss klappt bisher ganz gut.